Ertragswertverfahren einfach erklärt: 7 Schritte zur Immobilienbewertung
Zusammenfassung
- Mit dem Ertragswertverfahren wird berechnet, welche Erträge mit einer Immobilie während der gesamten Nutzungsdauer zu erzielen sind.
- Das vereinfachte Ertragswertverfahren eignet sich vor allem, um den Verkehrswert, also den voraussichtlichen Verkaufspreis von renditeorientierten Objekten am Immobilienmarkt, zu berechnen.
- Die Ausgangslage sind mehrere Formeln, um den Immobilienwert möglichst exakt zu bestimmen.

Ertragswertverfahren
Im folgenden Artikel informieren wir Sie ausführlich über die Wertermittlung von Gebäuden mithilfe des Ertragswerts. Sie erfahren, der Wert welcher Gebäude damit ermittelt werden kann, welche Grundlage - aus rechtlicher und aus wirtschaftlicher Sicht - relevant ist und wie die Wertermittlung bei verschiedenen Objekten erfolgt.
Außerdem zeigen wir, wie sich die Methode von anderen Verfahren unterscheidet. Auch Vor- und Nachteile des Ertragswertverfahrens werden erörtert.
Besonders häufig auftauchende Fragen im Zusammenhang mit dem Ertragswertverfahren werden im letzten Abschnitt beantwortet.
Was ist das Ertragswertverfahren und wofür wird es eingesetzt?
Das Ertragswertverfahren bietet eine Möglichkeit, die Erträge zu berechnen, die eine Immobilie während ihrer restlichen Nutzungszeit erwirtschaften kann. Dabei spielt es keine Rolle, wie hoch der Objektwert zum aktuellen Zeitpunkt ist; stattdessen stehen die möglichen Gewinne im Vordergrund.
Abgrenzung zu anderen Bewertungsverfahren
Weitere mögliche Methoden zur Wertermittlung einer Immobilie sind das Vergleichswert- und das Sachwertverfahren. Beim Sachwertverfahren spielen mögliche Erträge keine Rolle; stattdessen wird der aktuelle Wert eines Objekts ermittelt. Neben dem Sachwert des Gebäudes selbst, der unter anderem vom Wert der baulichen Anlagen und dem Alter der Immobilie abhängt, wird dabei auch der Wert des Grundstückes berücksichtigt, auf dem das Objekt steht. Das Vergleichswertverfahren hingegen ermittelt aufgrund des Verkaufspreises vergleichbarer Immobilien in der Umgebung, wie hoch der Wert des Gebäudes einzuschätzen ist.
Das Vergleichswertverfahren eignet sich deshalb besonders gut, um den Wert einer Immobilie zu ermitteln, die selbst genutzt werden sollen, oder um den Wert von Grundstücken einzuordnen. Das Sachwertverfahren nimmt eine Bewertung des Ist-Zustands eines Gebäudes vor, eignet sich jedoch nicht, um potenzielle Erträge zu bestimmen. Für diesen Zweck wurde speziell das Ertragswertverfahren konzipiert. Die Ertragswertmethode ermöglicht damit die Bewertung von Immobilien, die einen Ertrag erzielen. Das können Einnahmen von vermieteten Gebäuden oder auch Erträge eines Unternehmens, also Gewerbeimmobilien, sein.
Mithilfe eines konkreten Vergleichsfalls werden die Unterschiede der Wertermittlungsverfahren noch deutlicher: Gehen wir von zwei identischen Wohnungen mit je 80 m² Wohnfläche aus dem Baujahr 2000 aus. Wohnung A liegt in zentraler Großstadtlage mit einer Monatsmiete von 1.200 €, Wohnung B in einer Kleinstadt mit 700 € Kaltmiete. Beim Sachwertverfahren läge der Wert beider Wohnungen bei etwa 240.000 €. Das Ertragswertverfahren würde für Wohnung A jedoch einen deutlich höheren Wert von ungefähr 360.000 € ausweisen, für Wohnung B nur etwa 210.000 €. Das Ergebnis des Vergleichswertverfahrens hinge von konkreten vergleichbaren Objekten in der Umgebung ab.
Einsatzmöglichkeiten für das Ertragswertverfahren
In der Praxis findet das Ertragswertverfahren in verschiedenen Situationen Anwendung. In der Regel wird es von Investoren genutzt, um einen Eindruck vom Potenzial einer Immobilie zu bekommen. Dabei kann es darum gehen, abzuschätzen, ob und in welcher Höhe die Mieteinnahmen die laufenden Kosten übersteigen. Auch für eine Unternehmensbewertung eignet sich dieses Verfahren gut. Die Grundlage des Ertragswertverfahrens sind in jedem Fall immer Immobilien, die Erträge erzielen. Deshalb eignet es sich nicht für Objekte, bei denen dies nicht der Fall ist, zum Beispiel selbst genutzte Wohnungen oder öffentliche Einrichtungen.
Prüfen Sie die Ertragsorientierung der Immobilie
Bestimmen Sie zunächst, ob die Immobilie Erträge generiert (z.B. Mieteinnahmen).
Klären Sie den Zweck der Bewertung
Bestimmen Sie anschließend, wofür die Bewertung benötigt wird (z.B. Verkauf, Kauf, Finanzierung).
Wählen Sie das passende Verfahren
Entscheiden Sie sich anhand spezifischer Kriterien für das Verfahren, das am ehesten Ihren Bedürfnissen entspricht.
Kriterium | Ertragswertverfahren | Sachwertverfahren | Vergleichswertverfahren |
---|---|---|---|
Eignung für | Vermietete Objekte, Gewerbeimmobilien | Eigengenutzte Immobilien, Spezialimmobilien | Standardisierte Objekte, Grundstücke |
Datenbasis | Mieterträge, Bewirtschaftungskosten | Baukosten, Herstellungswerte | Vergleichspreise ähnlicher Objekte |
Marktsituation | Berücksichtigt Renditeerwartungen | Weniger marktorientiert | Stark marktorientiert |
Genauigkeit bei | Renditeorientierten Objekten | Nicht standardisierten Objekten | Standardobjekten mit vielen Vergleichsfällen |
Schwierigkeit | Mittel | Hoch | Niedrig (bei vorhandenen Daten) |
Auf welchen rechtlichen und wirtschaftlichen Grundlagen basiert das Ertragswertverfahren?
Grundlage für das Ertragswertverfahren sind insbesondere die Paragraphen 17 bis 20 der Immobilienwertermittlungsverordnung ImmoWertV. Dort ist unter anderem nachzulesen, dass für die Ermittlung der Erträge Summen herangezogen werden sollen, die dem aktuellen Marktstandard entsprechen. Das bedeutet, dass bei einem vermieteten Objekt nicht die tatsächlichen Mieteinnahmen relevant sind, sondern stattdessen diejenigen Werte, die marktüblich sind. Darüber hinaus sind die Paragraphen 21 (Liegenschaftszins) und 31 (Rohertrag) relevant.
Eine Weiterentwicklung des Ertragswertverfahrens, das sogenannte IDW S1-Verfahren, beruht auf den "Grundsätzen zur Durchführung von Unternehmensbewertungen", die vom Institut für Wirtschaftsprüfer in Deutschland IWD veröffentlicht wurden. Das IDW S1-Verfahren versucht dabei, zukünftige Gewinne eines Unternehmens realistisch einzuschätzen, während sich das Ertragswertverfahren an den vergangenen Gewinnen orientiert. In Österreich trägt das Verfahren übrigens eine andere Bezeichnung. Man spricht hier vom Fachgutachten des Fachsenats für Betriebswirtschaft und Organisation der Kammer der Wirtschaftstreuhänder zur Unternehmensbewertung oder kurz KFS/BW 1.
- Liegenschaftszinssatz
Zinssätze zur Kapitalisierung, "mit denen Verkehrswerte von Grundstücken je nach Grundstücksart im Durchschnitt marktüblich verzinst werden" (ImmoWertV, § 21). Festgelegt vom Gutachterausschuss für Grundstückswerte auf Basis vergangener Markttransaktionen. Faktoren wie Lage, Verkehrsanbindung oder Gebäudeart beeinflussen den Liegenschaftszins. Eine vereinfachte Ermittlung kann mit der Formel Nettomieteinnahmen eines Jahres / Kaufpreis erfolgen - dies ist jedoch nur ein Richtwert, da Bodenwert und Restnutzungsdauer nicht berücksichtigt werden.
Weitere Grundbegriffe: Rohertrag, Bewirtschaftungskosten, Reinertrag, Restnutzungsdauer
Weitere Größen, die im Ertragswertverfahren eine wichtige Rolle spielen, sind Erträge und Aufwendungen. Man unterscheidet dafür den Rohertrag, die Bewirtschaftungskosten und die Reinerträge.
Mit dem Rohertrag sind dabei die "bei ordnungsgemäßer Bewirtschaftung und zulässiger Nutzung marktüblich erzielbare[] Erträge[]" (ImmoWertV § 31) gemeint. Vereinfacht sind das die Mieteinnahmen eines Jahres, sofern sie dem Marktdurchschnitt entsprechen. Andernfalls muss dieser Wert stattdessen herangezogen werden.
Die Bewirtschaftungskosten hingegen umfassen die tatsächlichen Instandhaltungskosten sowie Betriebs- und Verwaltungskosten. Hinzu kommt das sogenannte Mietausfallwagnis, eine Pauschale, die Leerstand von Mietwohnungen einkalkuliert. Für die Berechnung des Mietausfallwagnis werden in der Regel 2 Prozent von der Jahresbruttomiete angesetzt.
Früher genügte für die Ermittlung der Bewirtschaftungskosten ein Richtwert, der 20 Prozent der Netto-Mieteinnahmen entspricht. Mit der Novellierung des Bewertungsgesetzes (BewG) zum 1. Januar 2023 sind pauschale Ansätze für Bewirtschaftungskosten bei der steuerlichen Immobilienbewertung nicht mehr zulässig. Stattdessen müssen gemäß § 185 BewG die tatsächlichen Bewirtschaftungskosten nachgewiesen und angesetzt werden.
Der Reinertrag ergibt sich schließlich, indem man die Bewirtschaftungskosten von den Roherträgen abzieht.
Zuletzt ist die Restnutzungsdauer eine wichtige Größe des Ertragswertverfahrens. Sie bestimmt die Höhe des sogenannten Vervielfältigers, und dieser wiederum berechnet den endgültigen Ertragswert einer Immobilie.
Die Immobilienwertermittlungsverordnung enthält in Anlage 1 die Gesamtnutzungsdauer für verschiedene Gebäudearten. Die Restnutzungsdauer ergibt sich bei unrenovierten Gebäuden aus der Gesamtnutzungsdauer gemäß Anlage 1 der ImmoWertV abzüglich der Jahre, in denen die Immobilie bisher genutzt wurde.
Allgemein lässt sich sagen, dass der Wert einer Immobilie größer ist, je höher ihre Restnutzungsdauer ausfällt.
Vorgehensweise zur Ermittlung der Erträge und Aufwendungen
Das folgende Beispiel soll die Bestimmung des Ertrags und der Aufwendungen verdeutlichen: Für eine Immobilie werden pro Monat 1.000 Euro Miete verlangt. Die Instandhaltungskosten lagen im vergangenen Jahr bei 750 Euro, an Betriebs- und Verwaltungskosten fielen 1.800 Euro an.
Die Roherträge liegen damit bei 12 * 1.000 Euro Miete = 12.000 Euro.
Die Bewirtschaftungskosten betragen 750 Euro + 1.800 Euro + (12.000 Euro * 0,02) = 2.790 Euro.
Der Reinertrag umfasst 12.000 Euro - 2.790 Euro = 9.210 Euro.
Wie erfolgt die Berechnung des Ertragswertes Schritt für Schritt?
Das Ertragswertverfahren ist komplex und hängt von zahlreichen Faktoren ab. Für eine exakte Bewertung des Ertrags einer Immobilie sollten Sie sich daher an einen Sachverständigen wenden. Es gibt jedoch ein sogenanntes vereinfachtes Ertragswertverfahren, dessen Ergebnis Sie selbst berechnen können. Dabei finden verschiedene Formeln Anwendung, die wir Ihnen zunächst vorstellen. Anschließend erläutern wir dann Schritt für Schritt, was Sie bei der Größenberechnung beachten müssen.
Das Ertragswertverfahren im Überblick
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Bodenwert mithilfe des Bodenrichtwerts. Die Formel lautet: Bodenwert (BW) = Bodenrichtwert (BRW) * Fläche des Grundstücks (GF).
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Grundstücksreinertrag mithilfe des Rohertrags und der Bewirtschaftungskosten. Die Formel lautet: Grundstücksreinertrag (GSR) = Rohertrag (RE) - Bewirtschaftungskosten (BK).
- 3
Gebäudereinertrag mithilfe des Grundstücksreinertrags und der Bodenwertverzinsung. Die Formel lautet: Gebäudereinertrag (GBR) = Grundstücksreinertrag (GSR) - Bodenwertverzinsung (BWV).
- 4
Gebäudeertragswert mithilfe des Vervielfältigers. Die Formel lautet: Gebäudeertragswert (GEW) = Gebäudereinertrag (GBR) * Vervielfältiger (V).
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Nun können Sie den Ertragswert Ihres Gebäudes ermitteln! Die Formel lautet: Ertragswert (EW) = Bodenwert (BW) + Gebäudeertragswert (GEW).
Die verschiedenen Werte im Detail
Werfen wir nun einen genaueren Blick auf die einzelnen Größen. In der ersten Formel war vom Bodenwert und vom Bodenrichtwert die Rede. Der Bodenrichtwert hängt von der jeweiligen Stadt oder Gemeinde ab und kann dort erfragt oder auf der jeweiligen Internetseite eingesehen werden. Gutachterausschüsse legen die Werte regelmäßig neu fest. Grundstücke können mithilfe dieses Wertes eingeschätzt werden, indem die Größe des Grundstücks mit dem jeweiligen Bodenrichtwert multipliziert wird. Das Ergebnis bezeichnet man als Bodenwert.
Für den Gebäudeertragswert spielen verschiedene Faktoren eine Rolle. Zunächst müssen Sie den Grundstücksreinertrag ermitteln. Ziehen Sie dafür vom Rohertrag, also den Jahresmieteinnahmen, Ihre individuellen Bewirtschaftungskosten ab. Anschließend müssen Sie davon die sogenannte Bodenwertverzinsung abziehen. Für die Kalkulation der Bodenwertverzinsung multiplizieren Sie den Bodenwert mit dem dazugehörigen Liegenschaftszins. Damit können Sie nun den Gebäudereinertrag berechnen, indem Sie die Bodenwertverzinsung vom Grundstücksreinertrag subtrahieren. Jetzt benötigen Sie nur noch den Vervielfältiger. Ermitteln Sie dafür zunächst die Restnutzungsdauer mithilfe Anlage 1 der ImmoWertV. Setzen Sie den Wert anschließend in die folgende Formel ein:
Formel
- V: Vervielfältiger
- i: Liegenschaftszins (als Dezimalzahl)
- n: Restnutzungsdauer in Jahren
Beispiel:
Für ein Gebäude mit einer Restnutzungsdauer von 20 Jahren und einem Liegenschaftszins von 3,5 Prozent:
V = (1 - (1 / (1 + 0,035)^20)) / 0,035 = 14,21
Der Vervielfältiger gibt an, wie viele Jahre Jahresreinertrag dem Kapitalwert entsprechen.
Das Ertragswertverfahren mit konkreten Zahlen
Damit die einzelnen Schritte verständlicher werden, sehen wir uns ein vereinfachtes Ertragswertverfahren mit konkreten Zahlenwerten an.
Schritt | Angenommene Größen | Zwischenschritte | Berechnung | Ergebnis |
---|---|---|---|---|
Bodenwert berechnen | 500 m² Grundstücks-fläche 150 € Bodenrichtwert | BW = BRW * GF = 500 m² * 150 € | 75.000 € | |
Grund-stücks-reinertrag | 450 m² Wohnfläche 10 € pro m² Miete | Berechnung Rohertrag: 450 m² * 10 € * 12 = 54.000 € Berechnung Bewirtschaftungs-kosten: 54.000 € * 0,2 = 10.800 € | GSR = RE - BK = 54.000 € - 10.800 € | 43.200 € |
Gebäude- reinertrag | 3 % Liegenschafts- zins | Berechnung Bodenwert-verzinsung: 75.000 € * 0,03 = 2.250 € | GBR = GSR - BWV = 43.200 € - 2.250 € | 40.950 € |
Gebäude-ertragswert | 30 Jahre Restnutzungsdauer | Berechnung Vervielfältiger: (1 - (1 / (1 + 0,3)^30)) / 0,3 = 19,60 | GEW = GBR * V = 40.950 € * 19,60 | 802.620 € |
Ertragswert | EW = BW + GEW = 75.000 € + 802.620 € | 877.620 € |
Welche Faktoren beeinflussen die Ertragswertberechnung?
Grundsätzlich ist das Ertragswertverfahren an dieser Stelle beendet. In einigen Fällen gibt es jedoch zusätzliche Faktoren, die sich in Form von Zuschlägen oder Abschlägen auf die Bewertung auswirken. Hier geht es um individuelle Aspekte, die in der Regel nicht in einer Formel erfasst werden können.
Mietausfallwagnis, Mietbindungen, Bauschäden und -mängel
Bei vermieteten Immobilien muss zum Beispiel das Mietausfallwagnis zu den Bewirtschaftungskosten addiert werden. Man deckt dabei präventiv den Fall ab, dass Mietzahlungen in vereinzelten Monaten ausbleiben. Dabei ist es unerheblich, ob eine Zahlungsunfähigkeit der Mieter dafür verantwortlich ist oder ob das Gebäude aufgrund eines Mieterwechsels vorübergehend leer steht. Das Mietausfallwagnis wird je nach Immobilienart und Lage unterschiedlich angesetzt. Während bei Wohnimmobilien in stabilen Märkten häufig 2% angesetzt werden, kann der Wert in weniger nachgefragten Lagen auf bis zu 4% steigen. Bei Gewerbeimmobilien werden je nach Branche und Lage Werte zwischen 4% und 8% angesetzt. Darüber hinaus beeinflussen individuelle Vereinbarungen den Wert eines Gebäudes. Mietbindungen - Beispiele hierfür sind ein lebenslanges Wohnrecht oder der zeitlich befristete Kündigungsschutz von Mietern - gehören dabei zu den Faktoren, die sich negativ auf die Bewertung auswirken.
Weitere Aspekte, die zu Abschlägen führen
Weitere Aspekte, die zu Abschlägen führen, sind Bauschäden. Sofern es sich dabei um behebbare Mängel handelt, führen diese zu Abschlägen beim Ertragswertverfahren. Voraussetzung hierfür ist, dass die Schäden weder in der Höhe der Jahresmiete noch in der Höhe des Vervielfältigers Berücksichtigung finden. Sind die Bauschäden von Dauer und besteht keine Möglichkeit, diese zu beheben, führen die Mängel sogar zu einer Minderung der Restnutzungsdauer und wirken sich dadurch negativ auf den Vervielfältiger aus.
Beispiel: Eine Wohnung mit einem jährlichen Reinertrag von 10.000€ weist Feuchtigkeitsschäden mit Reparaturkosten von 15.000€ auf. Diese Kosten werden als einmaliger Abschlag vom Ertragswert abgezogen, sofern sie nicht bereits im Mietpreis oder der Restnutzungsdauer berücksichtigt wurden.
Die Rolle des Vervielfältigers
Der Vervielfältiger selbst ist eine weitere Größe, die die Bewertung von Immobilien oder Unternehmen beeinflusst. Doch was genau sagt dieser Begriff eigentlich aus? Im Grunde genommen geht es vor allem darum, nach wie vielen Jahren sich eine Investition amortisiert. Im Beispiel des letzten Kapitels lag der Vervielfältiger bei 19,60. Das würde bedeuten, dass in diesem Fall die Investitionskosten nach knapp 20 Jahren durch Mieteinnahmen gedeckt werden.
Das bedeutet auch: Je höher der Vervielfältiger, desto geringer ist die Rendite für Investoren. Je geringer der Vervielfältiger, desto rentabler ist eine Investition. Für Geschäftsgrundstücke berechnet sich in der Regel ein geringerer Vervielfältiger als für Mietwohngrundstücke.
Das bedeutet, beim Kauf eines Unternehmens sind höhere Renditen möglich. Gleichzeitig ist es allerdings auch schwieriger, Mieter für solche Immobilien zu finden. Beeinflusst wird der Vervielfältiger vom Liegenschaftszins und von der Restnutzungsdauer. Je höher diese beiden Faktoren ausfallen, desto höher ist auch der Vervielfältiger.
Das bedeutet auch, wenn Sie über den Kauf eines Grundstücks oder eines Unternehmens nachdenken, sollten Sie darauf achten, dass der Vervielfältiger möglichst gering ist. Diesen weisen Grundstücke oder Immobilien mit einem geringen Liegenschaftszins und einer moderaten Restnutzungsdauer auf. Bauschäden oder -mängel aufgrund verpasster Instandhaltungsbemühungen wirken sich ebenfalls negativ auf den Verkehrswert aus. Käufer können so mit weniger Kapital investieren, müssen allerdings gleichzeitig bedenken, dass sich dies auch negativ auf die Erträge auswirken wird.
Eine Sensitivitätsanalyse zeigt die Auswirkungen auf den Gebäudeertragswert bei Veränderung der Einflussgrößen:
Erhöhung des Liegenschaftszinses von 3% auf 4%: Senkung des Vervielfältigers von 19,60 auf 16,05 (-18%)
Verringerung der Restnutzungsdauer von 30 auf 20 Jahre: Senkung des Vervielfältigers von 19,60 auf 14,88 (-24%)
Die positive Auswirkung von energetischen Sanierungen auf den Ertragswert
Es gibt allerdings auch Aspekte beim Ertragswertverfahren, die sich positiv auf den Gebäude- oder Unternehmenswert auswirken. Dazu gehören energetische Sanierungen, wie eine Studie des Immobilienbewertungsunternehmens PriceHubble zeigte. Dafür wurden in drei deutschen Großstädten - in München, Berlin und Hamburg - die Verkaufspreise für insgesamt mehr als 18.000 Wohnungen miteinander verglichen. In allen Städten erhöhte sich der Immobilienwert nach einer Sanierung: "In München beispielsweise steigt der Quadratmeterwert von energieeffizienten Immobilien um beeindruckende 41 Prozent. Ähnlich signifikante Zuwächse verzeichnen Hamburg mit einer Steigerung von 32 Prozent und Berlin mit einem Anstieg um 23 Prozent" (1). Mithilfe gezielter Maßnahmen können Käufer also dafür sorgen, dass ihre Immobilien deutlich an Wert gewinnen.
Wie unterscheidet sich das Ertragswertverfahren bei verschiedenen Immobilienarten?
Bisher wurde beim Ertragswertverfahren hauptsächlich von vermieteten Immobilien gesprochen. Tatsächlich findet das Verfahren jedoch auch bei der Unternehmensbewertung Anwendung, und auch spezielle Gebäude wie Hotels oder Krankenhäuser können damit bewertet werden. Werfen wir deshalb nun einen Blick auf die jeweiligen Unterschiede und Herausforderungen der Ertragswertmethode.
Besonderheiten bei Wohnimmobilien, Unternehmen und Spezialimmobilien
Für die Bewertung von vermieteten Wohnimmobilien sind zahlreiche Faktoren relevant. Hier liegt die größte Herausforderung des Verfahrens - gerade für Laien ist es nämlich schwierig, alle Kennzahlen korrekt zu ermitteln. Oftmals fällt dies auch Fachleuten schwer, weil es keine offiziellen Werte gibt. So ist beispielsweise der Liegenschaftszins in ländlichen Gebieten häufig ungenau, weil wenig Vergleichsobjekte vorhanden sind, die sich auf diese Größe auswirken. Gleichzeitig hat der Liegenschaftszins großen Einfluss auf das Ergebnis des Ertragswertverfahrens - ein ungenauer Wert führt deshalb schnell zu deutlichen Fehleinschätzungen. Ebenfalls herausfordernd ist die Berücksichtigung sämtlicher Zu- und Abschläge.
- Branchenspezifische Kennzahlen bei Spezialimmobilien
Bei Krankenhäusern sind besonders relevant: Der Case-Mix-Index (= Schweregrad der behandelten Fälle), die Bettenbelegung (= durchschnittliche Auslastung), die Vergütungssätze der Kostenträger sowie Personalkosten und -verfügbarkeit.
Bei Hotels müssen beachtet werden: Die ADR (Average Daily Rate = durchschnittlicher Zimmerpreis), die Belegungsrate (durchschnittliche Auslastung im Jahresverlauf), der RevPAR (Revenue per Available Room = Umsatz pro verfügbarem Zimmer) und der GOP (Gross Operating Profit = Betriebsergebnis vor fixen Kosten).
Der Ertragswert eines Unternehmens
Der Ertragswert eines Unternehmens definiert sich gänzlich anders als der von vermieteten Immobilien. Hier geht es darum, Prognosen zu erstellen, wie hoch voraussichtlich die Überschüsse des Unternehmens ausfallen werden, die sich der neue Eigentümer auszahlen lassen wird. Eine besondere Herausforderung bei der Berechnung des Unternehmenswertes ist die Berücksichtigung des Leerstandrisikos, das bei Gewerbeimmobilien deutlich höher liegt als bei Wohnimmobilien. Auch die Abschätzung der marktüblichen Höhe von Gewerbemieten - schließlich verlangt das Ertragswertverfahren als Grundlage marktübliche Werte - ist aufgrund geringer Vergleichsgrößen oftmals komplex.
Noch komplizierter wird es bei der Wertermittlung von Spezialgebäuden wie Krankenhäuser oder Hotels. Auch diese erwirtschaften Erträge, weshalb es möglich sein sollte, ihren Unternehmenswert mithilfe der Ertragswertmethode zu bestimmen. Gleichzeitig treten hier jedoch branchenspezifische Besonderheiten auf, die es zu berücksichtigen gilt und die selbst Experten oftmals vor Herausforderungen stellen. Viele Krankenhäuser verzeichnen beispielsweise seit Jahren keine Überschüsse. Infolgedessen gibt es auch keine jährliche Zinszahlung, die man als ewige Rente bezeichnet. Dennoch soll gerade diese ewige Rente im Ertragswertverfahren berücksichtigt werden.
- 1
Ermittlung der voraussichtlichen Überschüsse
Aus den Werten der vergangenen drei Geschäftsjahre und der Prognose für die kommenden zwei Geschäftsjahre wird die voraussichtliche Höhe der Überschüsse berechnet. Dies bildet die Grundlage für die Unternehmensbewertung.
- 2
Berechnung des Kapitalisierungszinssatzes
Der Zinssatz wird ermittelt, mit dem zukünftige Gewinne mit der aktuellen Situation verrechnet werden. Dieser berücksichtigt Marktrisiken und branchenspezifische Faktoren.
- 3
Kalkulation der Überschussbarwerte
Die ermittelten zukünftigen Überschüsse werden auf den heutigen Zeitpunkt abgezinst, um ihren aktuellen Wert zu bestimmen.
- 4
Ermittlung der ewigen Rente
Dieser Wert repräsentiert die Annahme eines konstanten Ertragsstroms für die Zeit nach dem Detailplanungszeitraum. Er wird ebenfalls auf den heutigen Zeitwert abgezinst.
- 5
Addition von Barwerten und ewiger Rente
Die Überschussbarwerte und die ewige Rente werden addiert, um eine Prognose zu den Erträgen der Zukunft zu erhalten.
- 6
Einbeziehung vorhandener Schulden
Zum Ermitteln des Gesamtwerts des Unternehmens müssen zusätzlich vorhandene Schulden berücksichtigt werden, was den endgültigen Unternehmenswert ergibt.
Beispielrechnung für ein Bürogebäude
Annahme: Bürogebäude in zentraler Lage mit folgenden Daten:
- Grundstücksfläche: 800 m², Bodenrichtwert: 500 €/m²
- Bürofläche: 1.200 m², Miete: 15 €/m² monatlich
- Liegenschaftszins: 5 %, Restnutzungsdauer: 25 Jahre
- Bewirtschaftungskosten: 25 % des Rohertrags
Ertragswertermittlung
1. Bodenwert: 800 m² × 500 € = 400.000 €
2. Rohertrag: 1.200 m² × 15 € × 12 = 216.000 €
3. Bewirtschaftungskosten: 216.000 € × 0,25 = 54.000 €
4. Grundstücksreinertrag: 216.000 € - 54.000 € = 162.000 €
5. Bodenwertverzinsung: 400.000 € × 0,05 = 20.000 €
6. Gebäudereinertrag: 162.000 € - 20.000 € = 142.000 €
7. Vervielfältiger: 14,09 (bei i = 5 %, n = 25)
8. Gebäudeertragswert: 142.000 € × 14,09 = 2.000.780 €
9. Ertragswert gesamt: 400.000 € + 2.000.780 € = 2.400.780 €
Bürogebäude
Ermitteln Sie die marktüblichen Mieten für Büroflächen in der Region
Berücksichtigen Sie einen höheren Liegenschaftszins (typisch: 4,5 - 6 %)
Kalkulieren Sie mit höheren Mietausfallrisiken (4 - 5 %)
Einzelhandelsimmobilien
Analysieren Sie die Lage und Passantenfrequenz
Berücksichtigen Sie branchenspezifische Mieten (€/m² je nach Einzelhandelssektor)
Beachten Sie kürzere Mietvertragslaufzeiten und höhere Fluktuation
Hotels
Basieren Sie die Berechnung auf dem GOP (Gross Operating Profit)
Berücksichtigen Sie Saisonalität und touristische Entwicklung
Kalkulieren Sie mit einem branchenüblichen Vervielfältiger (Faktor 10-14)
Welche Vor- und Nachteile hat das Ertragswertverfahren?
Das Ertragswertverfahren kommt immer dann infrage, wenn es um Grundstücke mit Immobilien geht, die Ertragswerte einbringen, beispielsweise durch Mieteinkünfte. Potenzielle Käufer, die sich für den Grundstücksmarkt interessieren und den Wert einer Wohn- oder Gewerbeimmobilie ermitteln möchten, profitieren bei diesem Wertermittlungsverfahren von einigen Vorteilen, müssen aber auch Nachteile berücksichtigen.
Vor- und Nachteile des Ertragswertverfahrens
Das vereinfachte Ertragswertverfahren überzeugt durch eine relativ einfache Berechnung. Wenn alle Größen bekannt sind - und die meisten davon lassen sich mit recht wenig Aufwand in Erfahrung bringen -, müssen die Werte nur noch in die passenden Berechnungsformeln eingetragen werden. Das daraus resultierende Ergebnis stellt den Verkehrswert dar, also den Preis, den der Verkauf des Grundstücks voraussichtlich erzielen wird. Käufer können sich mithilfe dieses Verfahrens also selbst einen Eindruck darüber machen, ob der Kauf beziehungsweise Verkauf ihren Vorstellungen entspricht.
Ein weiterer Vorteil ist die Marktorientierung bei der Wertermittlung und die damit einhergehende Praxisnähe. Das Ertragswertverfahren umfasst viele Komponenten, die sicherstellen sollen, dass der Wert eines Gebäudes mit Renditeorientierung möglichst exakt erfasst wird. Gerade bei solchen Immobilien ist das Wertermittlungsverfahren, das auf dem Ertragswert beruht, unschlagbar.
Trotz der überzeugenden Vorteile gibt es auch einige Herausforderungen, die bei der Verkehrswertermittlung bedacht werden sollten. Dazu gehört die fehlende Berücksichtigung von zukünftigen Veränderungen. So wird der Ertragswert von Mietwohngrundstücken, also vermieteten Mehrfamilienhäusern, auf der Basis des aktuellen Mietpreises berechnet. Sobald sich die Kosten hierfür jedoch erhöhen, weicht der tatsächliche Ertragswert vom Ergebnis der Wertermittlung ab. Je früher die Mietanpassung dabei erfolgt und je größer sie ausfällt, desto deutlicher ist die zu erwartende Abweichung des tatsächlichen vom berechneten Ertragswert.
Ein weiterer Nachteil ist die starke Abhängigkeit einer korrekten Kalkulation vom Liegenschaftszins. Dieser kann jedoch nicht von allen Gemeinden zur Verfügung gestellt werden. Sobald er allerdings nicht vorliegt, kann der Vervielfältiger und damit letztlich der Gebäudeertragswert nicht genau berechnet werden. Je weiter eine Schätzung von der Einschätzung durch Experten abweicht, desto ungenauer wird auch der Ertragswert ermittelt.
Vor- und Nachteile weiterer Wertermittlungsverfahren von Immobilien
Wie schon erwähnt gibt es neben dem Ertragswertverfahren noch weitere Modelle, um den Wert der baulichen Anlagen zu bestimmen. Auch diese weisen spezifische Vor- und Nachteile auf. So punktet die Vergleichswertmethode mit einer einfachen Kalkulation, die sich an der Dynamik des Marktes orientiert und dadurch realitätsnahe Ergebnisse liefert. Andererseits kann die Kalkulation nicht von potenziellen Käufern selbst durchgeführt werden, weil ein umfangreicher Vergleich mit ähnlichen Immobilien in der Regel nur mithilfe einer Datenbank möglich ist. Auch der Wert von Gebäuden mit einer geringen Anzahl an Vergleichsobjekten kann mit dieser Methode nicht ermittelt werden.
Das Sachwertverfahren, das ebenfalls zu den Wertermittlungsverfahren gehört, zielt auf eine sachliche Einschätzung der Qualität von Gebäuden ab. Es ist deshalb gut geeignet, um Aussagen über den aktuellen Wert eines Gebäudes zu treffen. Allerdings ist es nicht in der Lage, Ertragswerte zu ermitteln. Auch Anpassungen an Veränderungen der Marktsituation erfolgen nicht immer sofort, weshalb mitunter die Aktualität leidet.
Vorteile des Ertragswertverfahrens | Nachteile des Ertragswertverfahrens |
---|---|
Relativ einfache Berechnung | Fehlende Berücksichtigung zukünftiger Veränderungen |
Marktorientierung und Praxisnähe | Starke Abhängigkeit vom Liegenschaftszins |
Eignet sich ideal für renditeorientierte Objekte | Ungenauigkeit bei mangelnden Vergleichswerten |
Berücksichtigt die gesamte Nutzungsdauer | Schwierigkeiten bei der Ermittlung aller relevanten Kennzahlen |
Verschiedene Berechnungsverfahren - verschiedene Ergebnisse
Mit dem Sach-, dem Vergleichs- und dem Ertragswertverfahren gibt es drei anerkannte Methoden, um den Immobilienwert zu bestimmen. Welches in der konkreten Situation zum Einsatz kommt, sollte jedoch gut überlegt sein; es ist nämlich nicht ausgeschlossen, dass verschiedene Bewertungsverfahren bei demselben Gebäude zu unterschiedlichen Ergebnissen bezüglich des Wertes kommen.
Ein Einfamilienhaus mit 150 m² Wohnfläche aus dem Jahr 1980, das 2010 saniert wurde, wird mit verschiedenen Verfahren bewertet:
Sachwertverfahren:
- Herstellungskosten: 150m² × 2.200€/m² = 330.000€
- Alterswertminderung: 40%
- Sachwert Gebäude: 198.000€
- Bodenwert: 100.000€
- Gesamtsachwert: 298.000€
Vergleichswertverfahren:
- Durchschnittlicher Kaufpreis vergleichbarer Objekte: 1.250€/m²
- Vergleichswert: 150m² × 1.250€/m² = 187.500€
Ertragswertverfahren:
- Monatsmiete: 900€
- Jahresrohertrag: 10.800€
- Bewirtschaftungskosten: 2.160€
- Reinertrag: 8.640€
- Bodenwert: 100.000€
- Bodenwertverzinsung (3,5%): 3.500€
- Gebäudereinertrag: 5.140€
- Vervielfältiger (bei i=3,5%, n=30): 17,92
- Gebäudeertragswert: 92.109€
- Ertragswert gesamt: 192.109€
In diesem Fall liegen zwischen dem Sach- und dem Ertragswertverfahren mehr als 100.000 Euro Unterschied!
Wann ist das Ertragswertverfahren die beste Wahl?
Nutzen Sie das Ertragswertverfahren, wenn...
- die Immobilie hauptsächlich zur Erzielung von Erträgen genutzt wird
- es sich um Mehrfamilienhäuser, Büro- oder Geschäftsgebäude handelt
- die Rendite im Vordergrund steht
- verlässliche Daten zu Mieten und Bewirtschaftungskosten vorliegen
Wann sollten andere Verfahren verwendet werden?
Verwenden Sie andere Verfahren, wenn...
- die Immobilie selbst genutzt wird (→ SWV)
- es sich um ein unbebautes Grundstück handelt (→ VWV)
- keine verlässlichen Ertragsdaten vorliegen
- die Immobilie in einem Sondermarkt liegt
Welche aktuellen Trends und Entwicklungen gibt es im Bereich Ertragswertverfahren?
Das Ertragswertverfahren wird regelmäßig von verschiedenen Gerichten als funktionale Methode für die Wertermittlung von Immobilien anerkannt. Dennoch gibt es einige Entwicklungen, die Auswirkungen auf das Modell haben. Dazu gehören vor allem die Veränderungen des Immobilienmarktes der letzten Jahre. Während das Zinsniveau auf ein unerwartetes Hoch kletterte, sorgen politische Vorgaben wie die Mietpreisbremse dafür, dass Kosten nur bedingt auf die Mieter umgelegt werden können. Gleichzeitig bildet das Ertragswertmodell Erhöhungen der Mietpreise gar nicht ab - für potenzielle Interessenten von Mietwohngrundstücken wird es dadurch schwierig, verlässliche Prognosen zu erhalten.
Darüber hinaus macht die Digitalisierung auch vor traditionellen Bewertungsverfahren nicht Halt. So werden immer mehr Softwares und Datenbanken entwickelt, die Betroffene bei der möglichst aussagekräftigen Bewertung eines Gebäudes unterstützen sollen. Im Vergleich zu den kostenlosen Rechnern im Internet, die auf verschiedenen Immobilienwebseiten angeboten werden, handelt es sich hierbei in der Regel um umfangreiche Datengrundlagen, die regelmäßig von Experten überprüft und aktualisiert werden. Solche Tools ermöglichen dadurch eine deutlich fundiertere Einschätzung des Gebäudeertragswertes als Anwendungen, die auf der Eingabe weniger oberflächlicher Informationen beruhen.
Auch der Gesetzgeber hat ein Interesse daran, das Ertragswertverfahren an die aktuellen wirtschaftlichen Vorgaben anzupassen. Das zeigt sich daran, dass regelmäßig Änderungen an relevanten Bezugsgrößen wie den Bewirtschaftungskosten oder dem Vervielfältiger vorgenommen werden, zuletzt erst im Jahr 2023. Bei dieser Anpassung ging es unter anderem um die Vereinheitlichung von maßgeblichen Werten, die beispielsweise bei der Bodenwertverzinsung eine Rolle spielen. Auch der Liegenschaftszins wurde angepasst, wodurch sich der Immobilienwert häufig deutlich erhöht hat.
Die Zukunft des Gebäude- und Unternehmensertragswertverfahrens wird von Experten dennoch positiv eingeschätzt. Bis heute ist es das meistgenutzte Bewertungsverfahren auf dem Immobilienmarkt in Deutschland, dessen Aussagekraft von den hiesigen Gerichten nicht bestritten wird. Damit das auch so bleibt, wird es notwendig sein, dass Veränderungen der Marktsituation auch weiterhin in geeignetem Maße Berücksichtigung finden. Auch das Angebot von digitalen Tools wird voraussichtlich dafür sorgen, dass das Gebäude- und Unternehmensertragswertverfahren nichts von seiner Beliebtheit auf dem Immobilienmarkt einbüßt. Wünschenswert wäre eine Möglichkeit, um Veränderungen bei den Mietpreisen in der Bewertung abzubilden. Vielleicht lassen sich entsprechende Szenarien in Zukunft mithilfe von Künstlicher Intelligenz abbilden. Denn Fakt ist: Das Ertragswertverfahren ist ein wichtiges Tool zur Einschätzung des Gebäudeertragswertes - allerdings nur, wenn es auch zukünftig verlässliche Kalkulationen liefert.